Predigt in Fatima, am 13.9.1985
Kinder brauchen eine Mutter. Es stimmt im natŸrlichen, aber auch im ŸbernatŸrlichen Bereich. Und Gott hat uns in
seiner GŸte die Mutter gegeben. Ihr vertrauen wir unser Glaubensleben, unser
Gnadenleben an, dass sie es uns behŸte. Sie wei§ am besten,
wessen wir bedŸrfen. Sie kennt die Gefahren, auf die wir ahnungslos
zueilen, sie kennt auch die wahren Werte, an denen wir oft ahnungslos und
achtlos vorŸbergehen. Als rechte Mutter will Maria ihre Kinder vor dem Bšsen,
vor dem Unheil und Verderben bewahren und allem Guten zufŸhren. Sie will uns
vor allem ihrem Erstgeborenen Šhnlich machen. Sie tritt unablŠssig fŸr uns ein,
dass wir am Glauben an ihren gšttlichen Sohn, an der Treue zu Ihm und seiner
Kirche, an der sittlichen Reinheit, Sauberkeit und Lauterkeit des Herzens
festhalten und uns nicht in das Niedrige und Gemeine hinunterziehen lassen, wie
es leider dem Trend unserer Zeit entsprechen wŸrde!
Maria drŸckt uns an ihr Mutterherz und sagt uns: Kind, halte
dich an mich und mein strahlendes Vorbild! Ich bin ja die Mutter der schšnen
Liebe!
Sie, liebe Kandidatinnen, Novizinnen und Profe§schwestern,
das wŠre – wie ich meine – der Sinn unserer Weihe an Maria, an ihr Unbeflecktes
Herz. Erneuern wir heute diese Weihe und hšren wir auf das, was uns Maria bei
all ihren Erscheinungen, vor allem bei denen in Fatima sagen wollte. Vergessen
wir nicht: Der erste und wichtigste Teil der Botschaft Mariens in Fatima an die
Seherkinder und Ÿber sie an alle Christen lautete: ãWollt ihr euch Gott
schenken, bereit, jedes Opfer zu bringen und jedes Leid anzunehmen, das Er euch
schicken wird, als SŸhne fŸr die vielen SŸnden, durch die die gšttliche
MajestŠt beleidigt wird, um die Bekehrung der SŸnder zu erlangen und als
Genugtuung fŸr alle Beleidigungen, die meinem Unbefleckten Herzen zugefŸgt
werden?Ò
Maria hat uns in diesem vielsagenden Satz mitgeteilt, worauf
es ihr bei der GELEBTEN Weihe an ihr Unbeflecktes Herz vor allem ankŠme: Maria
sagte zu allererst: ãWOLLT IHR EUCH GOTT SCHENKEN?Ò
Ach, wie wenige sind es heute, die das noch wollen. Schuld
daran ist nicht nur der Zeitgeist, schuld daran sind leider manchmal auch die
Seelsorger. Man redet ja kaum mehr von der Gottesliebe und von der
jungfrŠulichen Ganzhingabe an Gott, man redet oft nur noch im Sinn eines
falschen Horizontalismus von Mitmenschlichkeit und BrŸderlichkeit und Ÿbersieht
dabei, dass wahre Mitmenschlichkeit und BrŸderlichkeit gar nicht richtig
mšglich sind ohne echte, opferbereite Gottesliebe. Und man Ÿbersieht, dass
unser Herr Jesus Christus das Gebot, Gott aus GANZEM Herzen, aus GANZER Seele,
aus GANZEM GemŸte zu lieben, als das erste und wichtigste Gebot bezeichnet hat.
Wie mŸssten wir alle, was die Gottesliebe betrifft, wieder
viel mehr auf Maria und die Ÿbrigen Heiligen schauen, die Gott wahrhaft geliebt
haben und die darum lieber alles, auch den Tod erleiden wollten, als dass sie
Gott durch eine schwere SŸnde beleidigt hŠtten! Die Heiligen, voran die
seligste Jungfrau Maria, waren die gro§en gottliebenden Seelen. Sie liebten Gott
Ÿber alles und kannten nur den einen Herzenswunsch, den ein gro§er Heiliger in
das tŠglich gesprochene Gebet geformt hat: ãO Gott, ich liebe dich, und der
einzige Lohn fŸr meine Liebe sei der, dass ich dich immer noch mehr liebe!Ò
Wollt ihr euch Gott schenken, bereit, jedes Opfer zu bringen
und jedes Leid anzunehmen, das Er euch schicken wird, als SŸhne fŸr die vielen
SŸnden, durch die die gšttliche MajestŠt beleidigt wird...?Ò In diesem Satz
steckt Mariens Forderung nach der gelebten Weihe an ihr Unbeflecktes Herz!
Wollt ihr euch Gott schenken...?Ò Wisst ihr, BrŸder und
Schwestern, warum heute so viele Katholiken diese demŸtige, zu jedem Opfer
bereite, auch zur willigen Hinnahme von Leiden bereite, sŸhnende Ganzhingabe an
Gott nach dem Vorbild Mariens nicht mehr zustande bringen? Weil sie eine viel
zu primitive Auffassung von Gott, einen viel zu kleinen, oft allzu armseligen
Gottesbegriff haben! Viele, allzu viele auch unter den Katholiken, auch unter
denen, die noch praktizieren und noch Sonntag fŸr Sonntag ihre religišse
Pflicht erfŸllen, degradieren Gott im Alltag zu einer armseligen
Randerscheinung ihres Lebens, statt Ihn zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen,
um den sich alles, all ihr Sinnen und Trachten, Beten, Arbeiten und Opfern
drehen muss!
Der unendlich gro§e, heilige Gott, unser Schšpfer und Herr,
ist freilich oft so rŠtselhaft und undurchschaubar in seinen PlŠnen und
RatschlŸssen, in seinen Schickungen und FŸgungen. Aber das Šndert nichts daran,
dass Er ein Recht, ein absolutes Recht auf unsere Anerkennung und Anbetung, auf
unseren demŸtigen Dienst und unsere opferbereite Liebe und Ganzhingabe hat!
Wie haben es hier die Heiligen gehalten? Ich denke hier
beispielsweise an den hl. Thomas von Aquin, den grš§ten Gottesgelehrten des
Mittelalters. Er hat sein Leben lang versucht, in das Geheimnis Gottes
einzudringen, aber dieser leidenschaftliche Forscher nach dem Geheimnis Gott
legte eines Tages seine Feder weg, er schrieb nicht mehr weiter an seinen
gro§en, theologischen Werken, er kniete in seiner Zelle, betrachtete und
schwieg. Seine MitbrŸder, die das beobachteten, wagen nicht, zu fragen, was
denn nun eigentlich mit ihm los sei. Eines Tages kam die Schwester des gro§en
Gottesgelehrten zu Besuch. Die MitbrŸder des hl. Thomas von Aquin erzŠhlten ihr
von der Lage, in der sich ihr Bruder befand – er schreibe nicht mehr, er
rede nicht mehr, er schweige und schweige. Sie baten die Schwester, ihren
Bruder doch zu fragen, warum er denn so schweige und nicht mehr weiterschreibe
an seinen gro§en theologischen Werken. Und der Schwester vertraute sich der hl.
Thomas wirklich an: Er habe in der hl. Messe vor einiger Zeit eine innere Schau
Gottes gehabt, und das sei so gewaltig gewesen, dass ihm alles, was er Ÿber
Gott und seine Geheimnisse bisher in seinen BŸchern niedergeschrieben habe, wie
leeres Stroh vorkomme...
Seht, solche Heilige hatten einen ganz gro§en Begriff von
Gott, diesem abgrundtiefen Geheimnis, in das weder der grš§te Philosoph noch
der grš§te Theologe noch der begnadetste Mystiker einzudringen vermag. Und wenn
wir meinten, Gott begriffen zu haben, so wŠre gerade eine solche Vermessenheit
ein Beweis dafŸr, dass wir nicht Gott, sondern einen Gštzen unseres Denkens und
unseres Herzens anbeten. Niemand als nur der Unbegreifliche allein begreift
sich in voller Klarheit, umfasst sich in der ganzen Unendlichkeit seines
Wesens. Wenn wir Gottes Unbegreiflichkeit bedenken und zugeben, dass niemand im
Himmel und auf Erden das Siegel des gšttlichen Geheimnisses zu šffnen vermag,
dann mšchte man weinen wie der Seher Johannes auf der Insel Patmos (Apok 5,1f),
weinen vor Traurigkeit, weil wir nicht imstande sind, unseren BrŸdern und
Schwestern in ihren Glaubenszweifeln und ihrer Glaubensnot das Geheimnis des
gšttlichen Wesens zu erschlie§en, aber auch weinen vor GlŸck, weil Gott so
unsagbar gro§ ist und ãkein Mensch, wie der hl. Franz von Assisi in seinem
Sonnengesang singt, wŸrdig ist, Dich, hšchster, allmŠchtiger, guter Herr, auch
nur zu nennenÒ.
Letztendlich kommt es ja gar nicht darauf an, Gott zu
begreifen, den Unbegreiflichen, es kommt nur darauf an, Gott zu begreifen, den
Unbegreiflichen, es kommt nur darauf an, Gott zu lieben und sich liebend zu
versenken in dieses abgrundtiefe Geheimnis und sich Gott zu schenken,
vorbehaltlos und ganz.
ãWollt ihr euch Gott schenken, bereit, jedes Opfer zu
bringen und jedes Leid anzunehmen, das Er euch schicken wird, als SŸhne fŸr die
vielen SŸnden, durch die die gšttliche MajestŠt beleidigt wird...?Ò
Wie muss doch MARIA von der geheimnisvollen Grš§e Gottes
ganz durchdrungen gewesen sein, dass sie so gut darum wusste und danach lebte
und dies dann auch von uns Menschen forderte: es gibt fŸr uns Menschen nichts
Grš§eres, nichts Wichtigeres, nichts Schšneres, nichts BeglŸckenderes, als
dies, uns Gott ganz und vorbehaltlos zu schenken. Maria hat dies in ihrem Leben
getan in frohen und in schweren Stunden und hat dem auch klaren Ausdruck
verliehen in ihrem Magnifikat: Ihr Unbeflecktes Herz ist so voll von
ehrfŸrchtigem Staunen Ÿber die geheimnisvolle Grš§e Gottes und so voll von Liebe
zu diesem unsagbar gro§en, geheimnisvollen Gott, dass sie es herausjubeln muss:
ãMagnificat, hoch preiset den Herrn meine Seele, und mein Herz frohlockt in
meinem Gott und Heiland. ER hat in Huld auf seine Magd gesehen, von nun an
preisen die Geschlechter all mich selig. Denn Gro§es hat an mir getan der
MŠchtige, heilig ist sein Name. Barmherzigkeit Ÿbe er durch alle Zeiten an
denen, die Ihm treu in Ehrfurcht dienen. Er wirket Macht mit seinem Arm,
zerstreut die stolz in ihren Herzens Sinnen. Gewaltige stš§t Er vom Throne, Er
hebt empor die Kleinen. Die Hungernden erfŸlle Er mit GŸtern, die Reichen
schickt Er leer von dannen. Er hat sich seines Volkes gnŠdig angenommen,
gedenkend seiner Lieb und Treue, wie Er verhei§en unseren VŠtern, auf ewig
allen Gotteskindern!Ò
Gegen Ende der ersten Erscheinung in Fatima lie§ Maria die
drei Seherkinder in einem geheimnisvollen Lichte einen gnadenreichen Blick auf
den dreieinigen Gott tun, so dass diese vor Seligkeit und Ergriffenheit in die
Knie sanken und mit lauter Stimme Gott priesen. Und Gott war von da wirklich
der Mittelpunkt ihres Lebens geworden, sie begriffen es nicht, aber sie
erlebten und spŸrten es immer mehr, wie herrlich und gro§ Gott sein muss und
wie Er da Um-und-auf ihres weiteren Lebens sein mŸsse und welches GlŸck und
welche Freude es sein mŸsste, sich Gott zu schenken vorbehaltlos und ganz.
ãWollt ihr euch Gott schenken?Ò
Diese fragte und Bitte Mariens beantworteten die zwei
Seherkinder, die bald in die ewige Heimat abberufen wurden, immer freudiger mit
einem klaren Ja. Das, ja das, wurde immer mehr zu ihrer wahrhaft gelebten Weihe
an das Unbefleckte Herz Mariens. Auch Lucia, das noch lebende dritte Seherkind
von Fatima, hat ein immer klareres und festeres Ja auf die Frage Mariens, ob
sie sich Gott ganz schenken wolle, gesprochen. Sie machte und macht Ernst mit
der Ganzhingabe an Gott im Ordensstand im Karmel zu Coimbra.
ãWollt ihr euch Gott schenken, bereit, jedes Opfer zu
bringen und jedes Leid anzunehmen, das Er euch schicken wird, als SŸhne fŸr die
vielen SŸnden, durch die die gšttliche MajestŠt beleidigt wird...Ò Dieser Satz
ist so kostbar, dass man bei jedem einzelnen Wort lange verweilen mšchte, um es
auszuschšpfen. Und dieser Satz allein ist an der Botschaft von Fatima so
inhaltsreich, dass man unwillkŸrlich spŸrt, dahinter kann nicht eine
Halluzination kindlicher Phantasie, sondern tatsŠchlich ein Eingreifen von
oben, das Eingreifen jener stehen, die eben ganz mit der Gnade Gottes vom
ersten Augenblick ihrer irdischen Existenz an erfŸllt war als Unbefleckte
EmpfŠngnis.
Es tŠte vielen unserer modernistischen Theologen so gut,
statt eine Theologie der Revolution und der Befreiung von innerweltlichen
ZwŠngen und Nšten und statt einer Theologie Ÿber alle mšglichen und unmšglichen
Dinge zu entwerfen, eine Theologie der Botschaft von Fatima zu bedenken. Aber
leider hindert so manche dieser modernen, modernistischen Theologen der Stolz
daran, demŸtig Ÿber die Botschaft von Fatima nachzudenken und sie dann in ihrem
Leben zu verwirklichen. Stattdessen belŠchelt man spšttisch die letzten PŠpste,
die die Marienerscheinungen von Fatima als echt anerkannt und sogar, wie Papst
Paul VI. und der gegenwŠrtige Papst Johannes Paul II. demŸtig nach Fatima
gepilgert sind...
Wir aber wissen: ãDem stolzen widersteht Gott, dem DemŸtigen
gibt er seine Gnade!Ò Bitten wir ihn in aller Demut, Er mšge uns allen immer
mehr die Gnade verleihen, nach dem Vorbild Mariens und der anderen Heiligen uns
ganz Gott zu schenken, Gott von ganzem Herzen zu lieben und dabei diese unsere
Gottesliebe immer mehr unter Beweis zu stellen durch echte, hilfsbereite,
einander ertragende, einander immer wieder verzeihende NŠchstenliebe.
Beten wir heute aber auch ganz besonders fŸr jene, die es
einmal, in seliger Gnadenstunde, gewagt haben, sich nach dem Vorbild Mariens
ganz Gott zu schenken im Priester- und Ordensstand. So viele unter den
Priestern und Ordensleuten haben – Gott sei es geklagt! – dieses
ihr Ja der Liebe und Treue und Hingabe an Gott aufgekŸndigt und wieder
zurŸckgenommen, haben ihr ãAdsumÒ (Ich bin bereit) widerrufen und sind ihrem
heiligen Beruf untreu geworden... So viele andere unter den Priestern und
Ordensleuten stehen nur noch mit halbem Herzen zu diesem einst gesprochenen Ja
der Ganzhingabe an Gott und holen sich in einer verhŠngnisvollen Anpassung an
die Welt schrittweise das wieder zurŸck, was sie einst Gott geschenkt hatten.
Leisten wir SŸhne und Abbitte fŸr diese Untreue und fŸr diese Halbheit und
bemŸhen wir uns alle – ob Priester, Ordensleute oder Laien – immer
mehr in der gelebten Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens Gott sŸhnend Ersatz
zu leisten durch umso grš§ter Treue gegen seine heiligen Gebote, vor allem
gegen das Doppelgebot der Gottes- und NŠchstenliebe!
Am 13. Oktober 1972 war unter den 100.000 Pilgern aus aller
Welt in der Cova da Iria auch der tapfere Bekenner-Kardinalprimas von Ungarn
Josef Mindszenty. Er erhob in einer Predigt scharfe Anklage gegen die lau
gewordene katholische Christenheit, der er vorwarf, sie habe die Forderungen
Mariens in Fatima, zu beten, Bu§e zu tun und sich zu bekehren und Ernst zu
machen mit der gelebten weihe an ihr Unbeflecktes Herz nicht beherzigt. Das
Gebet gehe immer mehr zurŸck, die Opfergesinnung schwinde fast ganz und weil
keine Opferbereitschaft mehr da sei, darum die Flucht aus dem Priester- und
Ordensberuf und der immer kleiner werdende Nachwuchs in den Priesterseminaren
und Klšstern.